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„...entwickelt sich das Album von Song zu Song

zu einem Meisterwerk der Zuhörmusik“

- SCHALL. Musikmagazin

 

„...eine sanfte, schlanke Utopie für die Hörbühne.

Und echt gute Musik.“

- Die Deutsche Bühne

 

„A moving, poetic work” - Clash

 

Lieder von Liebe und Krieg gehört für mich zu den Top 10 des Jahres.

Ohne zu übertreiben darf es als eines der schönsten deutschen Liedermacheralben der letzten Jahre gelten. - Die Kopfhoerer

 

 

„Dieser tollen Platte näher auf den Grund zu gehen, scheint in Zeiten voller Kriegsrhetorik und tagtäglichen Flüchtlingstragödien mehr als nur angebracht!” - Lie in the Sound

 

SCHALL. MUSIKMAGAZIN – Nr. 28 (3/2022) October 2022

 

„Anthropos” ist ein schwieriges Album, das man nicht einfach so weghört und am Ende gut gelaunt oder verwirrt in den Plattenschrank abstellt und schnell vergisst. Vielmehr beschäftigen sich hier die Berliner Theatermacherin Sonja Kessner und der schwedische Komponist und Lap Steel Gitarrist Fredrik Kinbom mit dem schweren Thema: Anfang und Ende des Anthropozäns. Sie nehmen die menschliche Natur in die Lieder auf und skizzieren die Symptome einer herauf dämmernden Zukunft, die utopische aber auch dystopische Züge annimmt. Gleich im Song „Exodus” wird die Idee erklärt, die verwirrend genial eindringt und süchtig auf die nachfolgenden Titel macht. Glockenklar erinnert Sonja Kessner an „Alexandria” und klärt dabei gleich auf: „Eine Funke Geist kann/ Die Welt in Schutt und Asche legen/ Ein kleine Funke stößt es an”. Ganz im Geiste von Brecht/Weill, mit viel Liedermacherei, einem Hauch NDW und schrägen Klangwelten entwickelt sich das Album von Song zu Song zu einem Meisterwerk der Zuhörmusik. Bester Song: „Grün ist die Revolution”, oder eher: „Im Westen was Neues”, äh, nö, dann doch: „Roboterliebe”.

 

 

DIE DEUTSCHE BÜHNE – „Medientipp der Woche: Kinbom & Kessner: „Anthropos““ – 22 June 2022 – link

 

Das Ende des Anthropozäns ist oft ausgerufen worden in der letzten Zeit, sei es in der Literatur, in wissenschaftlichen Publikationen oder auf der Bühne. Die Behauptung (oder Einsicht): Mit uns Menschen ist es vorbei, zumindest als Krone der Schöpfung und als Zentrum unserer Welt. So sanft und eigenwillig, so fantasievoll und zugewandt wie Kinbom & Kessner auf ihrem Album „Anthropos“ hat das aber vielleicht noch niemand behauptet.

 

Zehn Lieder gibt es zu hören, von der Berliner Theatermacherin Sonja Kessner getextet und gesungen und von dem schwedischen Steel-Lap-Virtuosen Fredrik Kinbom komponiert, arrangiert und begleitet. Dazu kommen illustre Gäste: Angela Winkler singt ein bisschen Schiller und Axel Werner spricht ein bisschen Heine. Auch auf der Instrumentenseite gibt es prominente Gäste: Hans-Jörn Brandenburg (Flügel, Harmonium, Celesta), Andreas Dormann (Bassklarinette, Saxophon), Paul Brody (Trompete, Flügelhorn) und Chris Farr (Schlagzeug) füllen Kinboms Arrangement mit eigenwilligen Leben. Das Ergebnis ist ein warmer, psychedelisch angehauchter, cool jazziger Sound, der uns begütigend am Abgrund wiegt.

 

„Ein Funke Geist kann die Welt in Schutt und Asche legen“ ist Sonja Kessners erster Satz. Und am Ende heißt es, im letzten, viel zu kurzen Lied „Wissen ist Nacht“, einer wunderbar introvertierten Mini-Hymne: „Wo ein Mensch ist, wird ein Rätsel sein.“ Wir sind am Ende, hören wir, unsere Zeit ist verbraucht, aber es ist wohl doch Schönheit in uns. Wie in Kessners klarer und doch wandlungsfähiger Stimme, mit der sie ihre poetischen Texte klug vorträgt und dabei sehr bewusst und liebevoll mit der Sprache umgeht. Gerade in weit ausschwingenden Phrasen erinnert das tatsächlich ein wenig an Leonard Cohen. Und Sonja Kessner schenkt uns, im Einklang mit der Musik, jene Lust am Jetzt und Hier, jenen nur scheinbar unbedarften Flower-Power-Lebensfunken, der uns eben nicht abturnt, sondern hineinzieht in einen kleinen Rausch ohne Kater. Und um ein Missverständnis von vorneherein auszuschließen: Hier wird nicht gejammert. Eher feiern Kinbom & Kessner, die neue Zeit, für die wir ja gerüstet sind, weil wir, die Menschen, in ein paar tausend Jahren ja echt viel erlebt haben. Und in den knapp 40 Minuten sind sogar Partikel einer Lösung versteckt, in Worten, Geräuschen, musikalischen Motiven: Es geht nur gemeinschaftlich. Das wissen wir natürlich alle, aber fast niemand lebt es. Aus diesem Gedanken scheint „Anthropos“ entstanden zu sein und ist für mich, bei aller Einsicht in Enden und bei aller Melancholie, eine sanfte, schlanke Utopie für die Hörbühne. Und echt gute Musik.

 

 

GLOBAL TEXAN CHRONICLES – „…Kind, sei nicht bang, KINBOM & KESSNER Anthropos“ – 16 June 2022 – link

 

Buckle up, you’re about to experience an album unlike anything else you’ve witnessed so far, this year. The bluesy, folk, indie rock/pop album “Anthropos” from Swedish/German duo Kinbom & Kessner is self-described as, “…the beginning and end of the Anthropocene, takes a close look at human nature and outlines the symptoms of a dawning future in various utopian and dystopian facets.”

 

While this sounds weighty, it is, but there’s also a sense of a night out in a lounge watching a cautionary tale being told. And as odd as it may sound, the German languaged album is intertwined with a sense of hope. Which, in this post-pandemic era, is a road well worth traveling. As humans, our own worst enemies are ourselves, but why and how can we prevent our own self-inflicted annihilation… of course an alt-pop album won’t solve this ever-increasing conundrum we find ourselves in, but, for a while, “Anthropos”, will allow some conversational exacpism.

 

In an expanded quote provided to the GTC, the LP’s players are noted, “The German-language songs of the duo, which consists of Berliner theatre actress/writer/director Sonja Kessner and Swedish composer/lap steel guitarist Fredrik Kinbom, combines the tradition of Brecht/Weill and political songwriters with cinematic lap steel soundscapes and band arrangements full of imagination. The album features a fine cast of international guests from the world of music and theatre, including Angela Winkler (“The Tin Drum”), Axel Werner (Berliner Ensemble), Chris Farr (Sophie Auster), Andreas Dormann (Moka Efti Orchestra), Hans-Jörn Brandenburg (Robert Wilson, Tom Waits, The Tiger Lillies), Paul Brody (John Zorn), Matti Bye and Larry Mullins (Iggy Pop, Nick Cave and the Bad Seeds).”

 

The captivating “Anthropos” is an album for conscience listeners.

 

 

LIE IN THE SOUND –  „Gestrigkeiten für Bildungsbürger? Oh nein! – Kinbom & Kessner“ – 15 August 2017 – link

 

Während ich die letzten Wochen nicht ganz freiwillig eine Blogpause eingelegt habe, haben mich zwei völlig unterschiedliche Alben musikalisch begleitet. Eines davon ist With The Beetles, das bereits zweite Werk des Duos Kinbom & Kessner. Schon das Debüt Lieder von Liebe und Krieg hat mir vor anderthalb Jahren sehr imponiert. Am Ansatz hat sich seitdem nichts geändert. Noch immer beackern der schwedische Gitarrist Fredrik Kinbom und die deutsche Theatermacherin Sonja Kessner ihr ganz eigenes Terrain, das stilistisch zwischen chansonesker Anmut und liedermacherischem Folk angesiedelt ist, thematisch der Tradition des Kunstlieds verbunden scheint. Die Motive Liebe und Krieg, die bereits das Erstlingswerk stark geprägt haben, sind ebenfalls geblieben. All das mag zunächst aus der Zeit gefallen wirken. Über Revolutionen sinnieren doch eigentlich nur verstockte Brecht-Nostalgiker, die Schicksale von Kriegsheimkehrern wirken auch eher in der Mottenkiste der Historie beheimatet. Man könnte bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht wirklich meinen, dass hier einer bildungsbürgerlichen Zielgruppe vor allem Gestrigkeiten aufgetischt werden. Doch wäre das allenfalls die halbe Wahrheit.

 

Zugegeben, Guillotine oder Soldatengräber sind im Jahre 2017 eine ferne Erinnerung. Und ja, die theatralische Darbietung der Lieder richtet sich an kultiviertere Gemüter. With The Beetles ist in puncto Zeitgeist weitab vom Schuss. In seiner Beschreibung von Leid und Schmerz bringt es vielmehr ins Gedächtnis, was lange schon verdrängt oder schlicht vergessen scheint. Um ein Gefühl für den Flair der Platte zu bekommen, lohnt es, zunächst den auf Englisch vorgetragenen Titeltrack zu betrachten. Die Zeilen „Outside my window there are/ People sleeping with the beetles/ Some of them have a name/ Others just a sex or an estimated age“ lassen die Augen über Gräber schweifen, „There are 250 or more/ And they all fell asleep from the war“ heißt es dann weiter. Dieser Blick aus dem Fenster zum benachbarten Friedhof hin veranschaulicht das, was Krieg eigentlich bedeutet. Krieg raubt Menschen, Zivilisten wie Soldaten, vorzeitig das Leben.  Die Worte „It happened here/ And not that long ago/ It happens now/ And not that far away“ erinnern daran, dass das, was wie ein Relikt ferner Zeit scheint, in anderen Teilen der Erde erschreckende Gegenwart ist. With The Beetles macht so auf wunderbare Weise fassbar, was sonst oft nur ein abstrakter Gedanke bleibt. Nicht minder beeindruckend fällt das Duett Irr Gendwo / Sen Mitt Europa aus. Es schildert eine Flucht aus einem kriegszerstörten Deutschland und Europa, dreht auf diese Weise die Perspektive der gegenwärtigen Debatte um. Mit welchem Bangen würde man aufbrechen? „Man sagt, dass es Brot für die Armen dort gibt/ Und Trost für die Kranken, fein, fein/ Ob man mich flüchtende Fremde dort liebt?/ Und ob man der Fremden ihr Fremdsein vergibt?“ sind Hoffnungen und Zweifel, die man gedanklich umarmen kann. Wie sehr unterscheiden sich solche Zeilen doch von dem in rechtskonservativen Kreisen kolportieren Bild, welches Geflüchtete zu abenteuerlustigen Glücksucher degradiert. Kinbom & Kessner verfügen über das poetische Rüstzeug und die musikalische Finesse, solch Lieder mit subtilem Geschick darzubieten. Sogar jene Momente, in denen die Prämisse deftiger und plakativer angelegt ist, warten mit Überraschungen auf. Guillotine Süße Trine etwa lässt den Traum von friedlichen Revolutionen platzen. Die Guillotine als Sinnbild für blutige Abrechnung umgarnt bei dieser Nummer auf geradezu sinnliche Weise, entfaltet sireneske Magie. Man stolpert hier über eine Ironie, wo man eigentlich Mahnung  oder Betroffenheit vermutet. Die Unabänderlichkeit gewisser Mechanismen wird im fast schlafliedhaften Einschub „Ach, du, armes Menschlein/ Träum doch vom Menschsein/ Träum doch vom Siege ohne mich“ fast höhnisch-mitleidig kommentiert. Kessners gesangliches Erzählen könnte besser nicht ausfallen. Eine Angst, die im Hier und Jetzt kaum präsenter sein könnte, seziert das Lied Sigurd Zuheegen. Die Angst vor Krankheit und Tod, die den Blick für das Leben verstellt, ist ein Luxus, den sich nur eine nicht mit tagtäglichem Überlebenskampf beschäftigte Gesellschaft leisten kann. Der Abgesang auf einen Mann, dessen Fixierung aufs eigene Ableben ihn unempfänglich für alles Schöne macht, ist die Art und Weise, wie Kinbom & Kessner ihren Hörern ein Carpe diem ins Ohr hauchen.

 

Eine Kunst, die bei allem intellektuellen Anspruch, auch auf der emotionalen Ebene erfahrbar bleibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Ebenso wenig Musik, die sich nicht im eigenen Befindlichkeitstango erschöpft. Kinbom & Kessner gelingt mit With The Beetles  ein anspruchsvolles und wirkmächtiges Album, das vermeintlich unzeitgemäß tief in die Abgründe menschlichen Fühlens abtaucht und in die Dringlichkeiten unserer Gegenwart eindringt. Dieser tollen Platte näher auf den Grund zu gehen, scheint in Zeiten voller Kriegsrhetorik und tagtäglichen Flüchtlingstragödien mehr als nur angebracht!

 

 

DIE KOPFHOERER – 29 August 2017 – link

 

Nun sind seit dem hervorragenden Kinbom & Kessner Album Lieder von Liebe und Krieg auch schon wieder zwei Jahre vergangen. Zwei Jahre, in denen Texterin Sonja Kessner und Lap Steel Gitarrist Frederik Kinbom nicht untätig waren und an ihrem neuen Album With The Beetles arbeiteten. Ein Titel, der uns natürlich – in abgewandelter Form – bekannt vorkommt und sich auf das zweite Album der Jungs aus Liverpool von 1963 bezieht.

 

Sehr unterschiedlich fallen die Klanglandschaften von Kinbom und Kessner und den Beatles aus, denn auch das zweite Werk der Band bleibt noch dem alten Sound irgendwo zwischen Theatermusik a la Tom Waits‘ Alice / Blood Money, Ödland und krautrockigen Folkplatten der 1970er Jahre treu. Und doch gelingt es Frederik Kinbom, diverse Anspielungen an die Beatband einzubauen. Aufmerksamen Hörern wird etwa der Höfner-Bass-Sound in Abgründe nicht entgehen und auch das Titelstück atmet den Geist einer George-Harrison-Kompostion.

 

Meine persönlichen Favoriten sind jedoch Guillotine Süße Trine und Lithium. Ersteres überrascht durch kompositorische und gesangliche Brechungen, etwa wenn Sonja Kessner den Gesang durch Sprechakte unterbricht oder nach wenigen Minuten das Tempo deutlich zurückgenommen wird. Die Stimmung entrückt hier zunehmend, ehe man sich erneut dem anfangs angestimmten Thema widmet, dieses aber ins atonale kippen lässt. Eine ganz bezaubernde Komposition, wie man sie etwa auch bei den frühen Alben Meret Beckers findet.

 

Ganz in diesem Sinne ertönt auch Lithium, ein seltsam bezauberndes Stück mit glasklarem Gesang, der später in einer Erzählpassage mündet und in der die deutsche zu Gunsten der französischen Sprache kurz aufgegeben wird. Man fängt klanglich den Wahn des besungenen Protagonisten ein, der erst auf- und später verblüht. Ein intensives Stück von beeindruckender Qualität. Neben den wunderbar verschrobenen Stücken stehen auch eingängigere Chansons wie etwa Sigurd Zuheegen, das an  Krautrockbands wie Witthüser und Westrupp (Der Rat der Motten) erinnert, oder Röslein, mit seinem einnehmenden Streichquartett.

 

With The Beetles knüpft nahtlos an das letzte Kinbom & Kessner Album an und überzeugt neben der textlich-kompositorischen Seite auch durch eine erneut sehr gute Produktion, die mit entsprechendem Equipment ihre ganze Wirkung entfaltet. Solltet ihr euch nicht entgehen lassen.

 

 

FLOORSHIME ZIPPER BOOTS – 20 July 2017 – link

 

With The Beetles is the new album from Kinbom & Kessner, a collaboration between lap steel virtuoso Fredrik Kinbom and writer/dramatist Sonja Kessner. The ten tracks are imaginative indie folk, with crisp production, deep lyrical themes and tight instrumental performances. Vocal duties are shared by the pair, but with only a couple of songs in English, the album will feel mostly out of reach to all but those who speak German. This is a shame, as this is an album that would do well with a wider audience, but is ultimately doomed to limited exposure. Give it a listen regardless of whether you can understand the lyrics, as this is a beautiful work, that will be enjoyable throughout.

 

 

DIE KOPFHOERER – 22 December 2015 – link

 

So heben wir uns eine der schönsten Aufnahmen für den Dezember auf. Gleich vorweg: Lieder von Liebe und Krieg gehört für mich zu den Top 10 des Jahres. Ohne zu übertreiben darf es als eines der schönsten deutschen Liedermacheralben der letzten Jahre gelten. Vergleichbar etwa mit Sebastian Lohses Erfolg!. Was aber machen Kinbom und Kessner so anders?

 

Jeder Musiker hat hier seinen eigenen Zuständigkeitsbereich. Während Fredrik Kinbom sich also auf die Kompositionen beschränkt, widmet sich Sonja Kessner den Texten. Eine Folge dieser Arbeitsteilung: Musik und Text passen zueinander, die Qualität der Interpretation stimmt. Was sie selbst nicht spielen können, wird von Gastmusikern interpretiert. Wo sich viele deutsche Liedermacher auf den Punk berufen, besinnen sich Kinbom und Kessner auf das Kunstlied und das Theater. Sie schaffen eine Einheit aus Klang, Komposition und Text, stellen die Schönheit – auch in den textlich hässlichen Momenten – in den Vordergrund. Zu keinem Zeitpunkt aber überschreiten sie die Schwelle zum Kitsch.

 

Neben der beschriebenen Trennung, die zur Einheit führt, darf auch die Relevanz der Texte nicht vernachlässigt werden. Liebe und Krieg – zwei überaus aktuelle Themen, die man geschmackvoll und ohne dem Voyeurismus zu verfallen, umsetzt. Lyrisch erinnert das Album an Chansons der 20er/30er Jahre, aber auch an Meret Becker oder den frühen Hannes Wader. Auf kompositorischer Ebene wird man ebenfalls bei den genannten Referenzpunkten fündig, jedoch besteht im Sound auch eine Parallele zum Krautfolk der 70er Jahre (ein erster Gedanke ging in Richtung Witthüser und Westrupp – Bauer Plath).

 

Alles in allem überzeugt das sehr gutes Album vor allem aufgrund seiner Konzeptionalität und Emotionalität. Das gewählte Thema wurde bereits oft umgesetzt, meist jedoch kitschig (man denke etwa an Lindenbergs Wozu sind Kriege da oder Wegeners Sind so kleine Hände). Es fällt schwer, einen Anspieltipp zu nennen, denn wer sich für Liedermachermusik und Chansons begeistern kann, wird sofort gefesselt. Besonders gefallen mir jedoch Weckt nicht die Liebe, Schlaflied für Marie und Wie früher (als Erna schön war). Ein wunderbares Album, eine künstlerische Zusammenarbeit die unbedingt fortgesetzt werden sollte und alle Aufmerksamkeit der hiesigen Musikpresse verdient. Ein Kritikpunkt soll dennoch genannt werden: Hin und wieder wurde der Gesang etwas in den Hintergrund gemischt – in diesen Momenten muss man sich doch arg konzentrieren, um den Faden nicht zu verlieren.

 

 

LIE IN THE SOUND –  „Triumph der Lyrik – Kinbom & Kessner“ – 12 January 2016 – link

 

Ein verhuschtes Chanson, ein folkiges Liedermacherwerk, ein der Poesie huldigendes Kunstlied, von derlei Dingen kann ich nie genug bekommen! Wenn die Chose dann noch in deutscher Sprache dargeboten wird, ist meine Freude groß. Lieder von Liebe und Krieg als Albumtitel stapelt allerdings nicht eben tief. Deutet er doch die Durchdringung der einschneidendsten Erfahrungen an, die Menschsein zu bieten hat. Niveauvolle deutsche Texte sind in der Musik unserer Tage allerdings Mangelware. Das Duo Kinbom & Kessner hat sich mit dieser gegen den Strich gebürsteten Platte also einiges vorgenommen. Die Arbeitsteilung wurde dabei klar umrissen. Der schwedische Gitarrist und Songwriter Fredrik Kinbom ist für die Musik verantwortlich, die deutschen Theatermacherin Sonja Kessner für Texte. Das Ergebnis fällt beachtenswert aus, weil man ihm anmerkt, dass es einer Gedankenwelt mit ausgeprägtem Kunstverständnis entstammt. Lyrik, ein bisschen markiger Brecht und ein Ausbrechen aus Zeitgeistigkeit lassen solch Lieder von Liebe und Krieg besonders wirken.

 

Schon zum Auftakt besticht Weckt nicht die Liebe mit seiner Zweigleisigkeit. Rezitierte Textpassagen, dem biblische Hohelied Salomos entnommen, wechseln sich mit lieblich gesäuselter Weltflucht ab, welche den Schatz Liebe angstvoll vor allen Bedrohungen beschützen möchte. Der chansonesque-zärtlichen Note dieses Stücks folgt mit Das Biest jedoch Dunkelheit. Eine bedrückenden Nachtmär voll Sorgen und Zweifeln wird von einem hellen Gesang beantwortet, der die Bedrohlichkeit nächtlicher Einsamkeit zu einem kindlichen Albtraum umdeutet, ja wegzuwischen trachtet. Das Schlaflied für Marie wiederum entpuppt sich als Mischung aus Wiegenlied und Requiem. Während im Pop und Rock die Alltagssprachlichkeit vorherrscht, ist das Kunstlied in seiner besten Ausprägung immer auch Triumph der Lyrik. Weil es Sprache und Versmaße kultiviert. Weil Sinn und Tragik erst ergrübelt werden wollen. Das Motiv der Mutter für den am eigenen Kind begangenen Mord wird hier erst nach und nach deutlich. Es liegt wohl in der Furcht vor Krieg, vor völliger Zukunftslosigkeit begründet. Vielleicht können wir das im Deutschland des Jahres 2015 nicht nachvollziehen, vielleicht ist dieser Schrecken, der zum völlig Unaussprechlichen treibt, aber in vielen Gegenden der Welt gerade jetzt hochaktuell.  Der gewollt antiquierte Ausdruck jenes Schlaflieds fürs Mariechen erlaubt es dem Hörer, ein gewisses Maß an Distanz, die man hier auch braucht, zu wahren. Eine andere Form von zeitloser Wirkkraft entfaltet das archaisch-folkige Trostlied. Entgegen der deutschen Betitelung wird der Song überwiegend in englischer Sprache dargeboten – und erlaubt mir daher den Verweis auf das New Weird America, von dem hier manches – etwas jene Gespenstigkeit – gekonnt abgepaust wurde. Wie früher (als Erna schön war) schließlich gerät zum Dramulett, welches den biederen, bei der Ausländerbehörde tätigen Beamten Fritz der schönen Aisha verfallen lässt. während seine Ehefrau Erna die Trauer in Buttercremetorte erstickt. Dieses Lied ist ein Lehrstück darüber, wie das Fremde mit Stereotypen und Fantasien besetzt und dem Fremden die verhängnisvolle Macht der Verführung unterstellt wird, der man nur durch Rückbesinnung auf vermeintlich eigene Werte entrinnen kann. Folgerichtig bestraft man das Fremde, weil es die eigene Charakterschwäche entlarvt. Aktueller, entlarvender kann Musik schwerlich tönen. Das abermals folkig gehaltene Short And Sweet löst schließlich auch das zweite Versprechen des Albums ein. Akribisch listet es in gemurmeltem Spoken Word die Toten der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten 100 Jahre auf. Hier greift Kinbom zum Mikro, während Kessner gleich einer trauernden Sirene aus dem Hintergrund schimmert. Auch das von einer Spieluhr untermalte Only The Living Can Love beschäftigt sich mit dem ewigen Kreislauf aus Kriegstreiberei und kollektiver Euphorie, darauf folgendem Leid, Elend – und schließlich einer allmählichen Rückkehr von Menschlichkeit. Man denke jedoch nicht, dass Krieg in dem Lied ein sinnstiftende Wirkung unterstellt wird. Die Zeile „Il faut être vivant pour pouvoir aimer.“ entlässt uns mit der Mahnung, dass man am Leben sein muss, um lieben zu können. Gäbe es nicht so viele Kriege und Opfer, könnte man den Satz als Binsenweisheit abtun!

 

Das Theater hat für sich die Frage nach der Existenzberechtigung längst beantwortet. Kaum ein ernst zu nehmendes Stück kann es sich leisten, ohne mehr oder weniger profunde Gesellschaftskritik auszukommen. In der Musik dagegen, vor allem wenn sie sich nicht in den heiligen Hallen von Opernhäusern abspielt, geht es überwiegend um die Befindlichkeit des Individuums, also ums eigene Seelenleben. Pop erzählt meist wie aus einem Tagebuch, zu oft im Ich verfangen. Kinbom & Kessner ist mit Lieder von Liebe und Krieg tiefschürfende Lyrik samt zärtlich darum kreisender Musik gelungen. Diese Platte vermittelt den Anspruch, Kunst voll aufrüttelnder, einschneidend-existentieller Kraft zu fabrizieren. Der Hörer sollte sich dieser Herausforderung stellen!

 

 

CLOSEWATCH MUSIC BLOG –  29 November 2015 – link

 

Kinbom & Kessner is the new project from Fredrik Kinbom (read my review of his latest solo album here) and Sonja Kessner, a German theatre writer.

 

Their first album together is Lieder Von Liebe Und Krieg which translates to “Songs of Love and War”. Unsurprisingly, it deals with the human consequences of war, and on that account it is a sobering listen. The one thing that war brings is death and destruction, and this album focusses not on the grand scale of country-wide destruction, but the smaller scale human consequences which are no less devastating.

 

I must state here that I speak about three words of German, so I have found the digital booklet with the lyrics and meanings of the songs here invaluable.

 

Sharing the writing jointly, but separately in their respective fields, the album is an engaging listen. Kinbom wrote the music and Kessner wrote the lyrics. Together they have created an inspired collection of songs that, in the current circumstances the worlds faces is perhaps more pertinent and relevant than they could have imagined.

 

What’s also quite impressive is the array of talent they engaged with to create the final product. They include James Williamson of Iggy & The Stooges and singer Hannah Miller of Moulettes, alongside members of Hazmat Modine and Augie March.

 

From the dreams of a German girl seducing her Jihadi husband to stay away from fighting, Weckt Nicht Die Liebe to a woman who smothers her daughter to keep her safe from a war that never came because it was only a rumour started by a man enslaved by money, to the number of deaths in various wars from the First World War to the conflict in Afghanistan, Short and Sweet, the focus here is how war and love affect the lives of everyone.

 

The one message we should all take from the album is directly from the last song of the album. It’s a truism we should all remember – Only the Living can Love.